Letztes Wochenende habe ich meinen Mann mit einigen Kindern vor die Türe gesetzt. Es ging zuhause drüber und drunter. Mein Mann spielte mit den Kindern Fußball im Flur und die Emotionen kochten hoch. Keiner der Bengel kann verlieren und mein Mann schon gar nicht. Es endete in einem Mix aus Fußball, Rugby und Judo. Die diversen Beschimpfungen lasse ich einmal außen vor. Klassischer Fall von „Bis eins heult“. Also raus mit ihnen. Mein Mann fuhr mit ihnen auf eine Laufbahn und ließ sie sich austoben. Er selbst saß während dieser Zeit auf einer Parkbank in der Sonne neben seinem „Kleinen König“, unserem Fünfjährigen. Sie führten Männergespräche. Etwas Bewegung hätte ihm sicher auch nicht geschadet, aber gut.
Diverse Spaziergänger gingen an den beiden vorbei. Einer jedoch sprach die beiden an: „Das sieht man direkt, da sitzt der Kleine mit seinem Opa auf der Bank und genießt das Leben“. Die durchweg gute Laune der beiden trübte sich ein. Mein Mann drehte sich um und schaute nach hinten. Aber da war niemand. „Ich hoffe sie meinen nicht mich, oder machen einen Scherz“ antwortete er dem Fremden kühl. „Ach, dann sind sie wohl der Onkel?“ „Ne, die Biene Maja“. Jetzt war mein Mann angestachelt. „Wonach sieht es denn aus?“ „Der Vater vielleicht?“ Die Stimme des fremden Spaziergängers war nun eingeschüchtert. „Natürlich“ schaltete sich der Kleine König ein. Heimlich still und leise zog der Spaziergänger nun mit seinen Hunden von dannen. Mein Mann rief mich sofort an und meinte zu mir: „Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist“. Er erzählte mir alles im Detail und meinte: „War das nett?“ Wohl eher nicht, entgegnete ich und kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. Meine Beschwichtigungen liefen ins Leere und bis heute denkt er darüber nach. Seine noch verbliebenen Haare kontrolliert er nun täglich. Bilder von hinten, aus erhöhter Position sind schon seit einiger Zeit nicht mehr gewünscht, da er seinen lichten Hinterkopf nicht akzeptieren will. Vor ein paar Jahren hatte er ein Bild von sich selbst am Tisch gesehen – von hinten. Entsetzen pur.
Mir erging es indes auch nicht besser. Die Kinder überzeugten mich davon, dass ich einen Instagram-Account bräuchte. Gesagt, getan. Ich legte ihn an und bekam nahezu postwendend eine Nachricht von einem „Vorname_Nachname_1995“-Account. Inhalt: Hallo, ich bin… und Single. Irgendwie süß, aber das Profilbild zierte das Logo des KSC. Damit ohnehin schon ein NoGo. Ich amüsierte mich königlich über die Nachricht und zeigte sie den Kindern. Daraufhin unser Ältester zu mir: „Mama, hast Du Dein Alter hinterlegt? Oder ein Bild? Dann bekommst Du solche Nachrichten garantiert nicht mehr.“ Kein Problem, das Testament ist mittlerweile von mir entsprechend angepasst worden. Mistkerl…
Für meinen Mann kam es aber noch schlimmer. Bei einem Spaziergang durch Koblenz entdeckte er vor Kurzem ein Zentrum für Plasmaspende. Dazu muss man wissen, bevor ich ihn kennenlernte, ging er regelmäßig zur Blutspende beim DRK. Im Laufe der Zeit kam er nicht mehr dazu, oder es ging unter. Wie auch immer, er war nun wieder bester Dinge und wollte etwas Gutes tun. Also hin und erstmal einen Termin zur ärztlichen Untersuchung vereinbart. Dabei kam Bluthochdruck zum Vorschein, klassisches Problem älterer Herrschaften. Auf die sonstigen „Altherrenkrankheiten“ gehe ich separat ein. Mein Mann entgegnete der Dame am Blutdruckmessgerät: „Ich gehe eher davon aus, dass ihre Messgeräte hier in die Jahre gekommen sind“. „So wie sie“ kam zurück. Die Begeisterung für’s Plasmaspenden war komplett dahin. Trotz allem ließ er sich zu einer Erstspende überreden. 1,5 bis 2 Liter Wasser sollte man im Vorfeld trinken. Wasser trinken und mein Mann, das ist an sich schon eine Geschichte für sich. Immer, aber wirklich immer, wenn er Wasser trinkt, endet das in einer wahren Pinkelorgie. Funktioniert lustigerweise nur mit Wasser. Pinkelorgie meine ich genau so wie ich es sage. Er trinkt ein Glas Wasser und gefühlte fünf kommen wieder raus. Das an sich wäre ja nicht so schlimm, der enge Zeitablauf jedoch macht es spannend. Nach dem Trinken passiert erstmal nichts, aber dann, so nach fünfzehn Minuten geht es los. Ich schicke ihn also auch immer mit den Kindern nochmal auf die Toilette bevor wir unterwegs sind. Es dauert keine fünf Minuten und wieder Pipi. Danach werden die Abstände kürzer, die WC-Odyssee beginnt.
Der Tag der Spende war gekommen, die Vorbereitungen starteten früh morgens. So gegen 8 Uhr begann mein Mann damit, Wasser zu trinken. Bis gegen 9 waren die ersten eineinhalb Liter getrunken. Noch war alles gut. Die Pipiorgie startete pünktlich wie immer und nach einiger Zeit schien das Problem gelöst. Er machte sich auf den Weg nach Koblenz. Nach genau 7 Minuten im Auto hielt er an und erleichterte sich am Straßenrand. „Hui, das ging gerade nochmal gut“ meinte er. Keine fünf Minuten später: „Ei ei ei, jetzt pressiert es aber“. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Autobahnparkplatz und los geht’s. Ich dachte wir kommen nie mehr an. Jetzt reichte es bis zu McDonalds an der B9. Keine zehn Minuten später, am LöhrCenter angekommen, im wilden Galopp auf die Toilette. Ich konnte nicht mehr an mich halten, ich musste so sehr lachen. Es ging nicht mehr. Der blanke Stress stand meinem Mann ins Gesicht geschrieben. Die Entfernungen wurden ab sofort nur noch in Toilettenstopps berechnet. Es war großartig, zumindest für mich. Jetzt waren es nur noch 10 Minuten zu Fuß bis zum Spendezentrum. Das sollte doch gehen. Weit gefehlt, jetzt wurde gerannt. Dort angekommen, ging es sofort auf die Toilette. Als wäre es noch nicht komisch genug, wurde ihm auch noch eine Capri Sonne angeboten, die er im Vorfeld der Spende trinken sollte. „Das lassen wir mal lieber“ meinte mein Mann, es sei denn sie verlegen auch Katheter während der Spende. Jetzt startete das übliche Prozedere vor einer Spende, jeweils nur unterbrochen von weiteren Toilettengängen. „Reiß dich mal zusammen, ist das peinlich mit dir“ schaltete ich mich ein. „Ich könnte schon wieder“ kam zurück. Interessanterweise konnte ich mir in allen Schwangerschaften anhören, dass ich mich diesbezüglich doch bitte nicht so anstellen solle. Die Problematik ist mir also bekannt. Mein Mitleid hielt sich allerdings massiv in Grenzen. Jetzt war alles zu spät, er wurde aufgerufen. Mein Mann gleich nochmal auf die Toilette. „Da kann doch jetzt wirklich nichts mehr kommen“ wurde ich deutlich. „Hast du eine Ahnung“ bekam ich als Antwort. „Geht es Ihnen gut?“ „Klar, etwas Harndrang, aber sonst alles in Butter“. „Das hören wir häufiger von älteren Herrschaften, das ist in ihrem Alter ganz normal“. Die Stimmung kippte. Erst als Opa tituliert und jetzt das. Er überstand die Spende ohne Unterbrechungen. Aber kaum war sie zu Ende, ihr wisst schon…
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