Mein Mann ist der größte Spießer, den man sich vorstellen kann. So hat er sich wahnsinnig über unsere Tochter aufgeregt, weil diese ihren Telefon PIN auf 1234 änderte. Dies sollte auch gleich Folgen haben. Vor einiger Zeit waren wir in Bonn im Kleinen Theater. Die Leiden des jungen W standen auf dem Programm. Das erinnerte meinen Mann an seinen ersten Besuch dort vor 35 Jahren. Damals wurde Faust I dargeboten. Dementsprechend war die Vorfreude auf ein Wiedersehen groß. Wir sahen uns das Stück an und gingen guter Dinge die 5 Minuten zurück zum Auto auf dem Parkplatz an der Stadthalle. Dort angekommen wunderte ich mich über das geöffnete Handschuhfach im Auto. Erst danach bemerkte ich die eingeschlagene Scheibe auf der Beifahrerseite. Unser Auto wurde aufgebrochen. Überall im Schnee und auf dem Sitz lagen Scherben.

Ich konnte es nicht fassen. Der Parkplatz war in unmittelbarer Nähe zum Theater und direkt gegenüber war ein Restaurant. Ausserdem war er einigermaßen gut beleuchtet. Trotzdem hat sich irgendein Trottel die Mühe gemacht, den wirklich nicht sonderlich attraktiven Wagen aufzubrechen. Trottel deshalb, weil er zwar das alte Handy unserer Tochter mitgenommen hatte, samt defekter Powerbank aber meinen Geldbeutel inklusive zweier Kreditkarten, meines Führerscheins und des Personausweises übersehen hatte. Ich hatte bereits mein Handy in der Hand, war ganz stolz, dass mir tatsächlich die offizielle Sperr-Hotline-Nummer einfiel und begann bereits, mich durch die Möglichkeiten des Anrufmenüs durchzuarbeiten.

Apropos Trottel, wer kam eigentlich auf die Idee, dass man die Nummer der gestohlenen Kreditkarte bei der Sperrung angeben muss? Wer hat die im Notfall parat oder im Kopf? Hier ein hilfreicher Tipp für alle. Entweder ein Bild der Karte, samt Nummer im Handy speichern oder zumindest auf die Idee kommen, im Online-Banking nachzusehen. Sonst wird es peinlich, weiß ich jetzt. Ohne die Reaktion meines Gegenübers am Telefon jetzt in allen Einzelheiten zu beschreiben, kann ich sagen, dass es besser ist, die Nummer parat zu haben wenn man die Karte sperren möchte/muss. Während ich versuchte meinem Mann zu signalisieren, dass ich alles im Griff hätte, entdeckte ich den Geldbeutel im Auto. Merke: Wenn das eigene Auto aufgebrochen wird, ist es immer gut, wenn Vollidioten am Werk sind.

Mittlerweile hatte mein Mann die Polizei informiert, die tatsächlich auch nach 40 Minuten mit zwei großen Vans vorfuhr. Hatte ich bereits erwähnt, dass Schnee lag und die Temperatur bei -8° nicht sonderlich angenehm war? Einer von uns musste an der Straße warten und den Polizisten zeigen, wo das Auto stand. Der andere konnte im Wagen warten und sich bei laufendem Motor halbwegs warm halten. Ich muss wahrscheinlich nicht erwähnen, wer welchen Part übernahm? Ich war passend für das Theater gekleidet aber definitiv nicht für einen einstündigen Aufenthalt im Freien, also stand ich natürlich draußen. Mein Mann wiederum saß mit Handschuhen und Mütze (Equipment, das er in allen Jacken griffbereit hat) im Auto und wärmte sich an der Heizung. Glücklicherweise war ich so sauer, dass ich die Kälte kaum wahrgenommen habe.

Die Polizisten waren sehr verständnisvoll, hilfsbereit und zuvorkommend. Zudem gaben sie uns wertvolle Tipps zur Versicherung und Schadenabwicklung. Der Hinweis, besser keine Wertsachen im Auto liegen zu lassen, erschien mir noch nie so sinnvoll. Die Beamten waren wirklich top und das hatten wir so nicht erwartet. Zuerst klebten wir mit ihrer Hilfe die Seitenscheibe ab, um auf dem Nachhauseweg nicht zu erfrieren. Gut gedacht, aber schlecht gemacht. Ohne Außenspiegel weigerte sich mein Mann nach Hause zu fahren. Also doch frieren, in Nylons. Zuhause angekommen wurde direkt die SIM-Karte gesperrt und der Schaden bei der Versicherung gemeldet. Zuvor hatte unser Ältester aber noch eine WhatsApp-Nachricht von der übelsten Sorte, die ich hier wirklich nicht zitieren kann, an die Nummer geschickt. Anschließend zeigte sich jedoch, der oder die Hornochse(n) hatten sich Zugang zum Handy verschafft. Welche Überraschung bei Verwendung eines 1234 Codes.

Mein Mann regte sich riesig auf. Unser Ältester jedoch freute sich wie ein kleines Kind, dass seine Nachricht zugestellt wurde. Wir konnten das Handy über andere Wege weitestgehend unbrauchbar machen, trotzdem war es unnötig und ärgerlich. Allein es im Auto liegen zu lassen, war selten dämlich. Heutzutage muss man jederzeit mit allem rechnen. Wir waren zu gutgläubig.

Als Konsequenz daraus verschärfte mein Mann alle Sicherheitseinstellungen an allen unseren mobilen Endgeräten. Natürlich um sie gleich danach wieder zu vergessen. Auch das sollte Folgen haben, wenn auch zeitversetzt. Viele Monate später tingelte er durch diverse Mobilfunkläden, um sich beraten zu lassen. Zudem wollte er wissen, ob sein aktuelles Handy Dual-SIM-fähig sei. „Schauen wir gleich mal rein, dann wissen wir es“ meinte der Berater. Gesagt, getan. Er öffnete den entsprechenden Slot am Gerät und dann ging es los.

Ein ohrenbetäubender Alarmton ertönte in gleichmäßigen Abständen. Der Laden war gut besucht und alle schauten „seinen“ Berater an. Schließlich kam dieser Lärm aus seiner Ecke. Zuerst reagierte sein Kollege: „Was hast du gemacht Bruder?“. „Ey, nix, save nichts, ich schwöre“ kam es zurück. „Mach das aus jetzt Bruder“ wurde er von seinem Kollegen zurechtgewiesen. „Bruder, ich hab nix gemacht, save. Keine Ahnung was das ist, Alter“.

Langsam dämmerte meinem Mann was das war. Er hatte die Securityeinstellungen seines Handys so geändert, dass bei einer Entfernung der SIM-Karte ein ebensolcher Alarm ertönte. Aufgrund der Kinder mit Jugendsprache bestens vertraut, rief er dem Berater zu: „Bleib locker Alter, Bruder ich glaub ich weiß was los ist. Save gib mal Handy“. Das Handy alarmierte nach wie vor auf „Full Power“. Die eingegebene Security Policy hatte das Handy gesperrt. Also ruhig bleiben und die SIM-Pin eingeben. Geschafft! Allein, der Alarm ertönte weiter in voller Lautstärke. Jetzt musste noch die Telefon-Pin eingegeben werden. Einziges Problem: Mein Mann nutzt ellenlange Passwörter und vergisst sie dann. Wie auch jetzt in dieser Stresssituation. Gleich die erste Eingabe war falsch und auch die zweite Eingabe war falsch. Der Alarm ertönte munter weiter und der Stresspegel stieg merklich an. „Bruder, was machst du da? Mach das aus“. Der dritte Versuch sass, das Handy war entsperrt. Der Alarm jedoch war weiter aktiv. Jetzt noch schnell rein in die Security-App. Aber auch diese hatte mein Mann mit einer separaten PIN versehen. Und so dauerte es und dauerte und dauerte. Ein großartiges Schauspiel war in vollem Gange. Also App entsperrt und Ruhe war. Endlich. „Alter, was hast du für ein Handy, krass.“ In dem Laden kann er sich definitiv nicht mehr sehen lassen. Man kann ihn nirgends mit hinnehmen, wirklich nirgends.