Mein Mann hat eine nahezu unerschöpfliche Fantasie, die mitunter irre Ergebnisse zutage bringt. So hat er unter anderem eine Vogelspinne namens Tarantula und deren Freundin Tarantulina erfunden. Die beiden sind mittlerweile integraler Bestandteil der Familie und nicht mehr wegzudenken. Klingt komisch? Ja, ist es auch. Die beiden krabbeln auf allen Kindern rum und haben für alle ein „nettes Wort“. Kommt auch gerne mal zu mir. Meine Vermutung ist, dass er die beiden einsetzt um, noch deutlicher als ohnehin schon, seine Meinung kundzutun. Mein Verhältnis zu den beiden Spinnen gilt allgemein als belastet. Vor allem wenn sie während des Essens zum Einsatz kommen. Dann schütten die beiden schon mal Ketchup in die Gläser, verrühren Essen aus verschiedenen Tellern und spucken Obstkerne auf die Kinder und so weiter.

Die Kinder und die Hunde haben ihre helle Freude daran. Allen voran die Kinder, wenn das Gemüse vom Teller durch die Gegend fliegt. Dazu kommen dann Kommentare wie: „Niemand kann sowas essen, niemandem schmeckt das, gar niemand“. Oder zu mir: „Wann lernst du endlich kochen, wird Zeit“ „Keine Spinne will sowas essen“. Somit werden auch die Kinder skeptisch, was denn da jetzt auf dem Teller liegt. Die Tarantula ist dann aber auch so nett, genau zu erklären, was da auf den Tellern liegt. „Niemand mag Hühneraugen, die sind eklig“. Oder „Ich mag kein Katzenhirn“, oder „Wer isst schon Ameisenpups“? Das Essen ist dann meist erstmal beendet, weil die Kinder sich weigern diese komischen Sachen zu essen. Manchmal ist mein Mann so gnädig, mit den Kindern auszuhandeln, wer denn jetzt den Ameisenpups und wer die Hühneraugen essen darf. Ansonsten muss ich anschließend die Spielverderberin spielen und die Kinder mit sanftem Druck dazu bringen, die Teller leer zu essen. Die Hunde hingegen freuen sich, weil sie genau wissen, dass sie nach dem Essen unter dem Tisch fündig werden.

Jede Hand mimt eine Spinne, dazu noch die Stimme derart verstellt, und das Chaos ist nicht mehr aufzuhalten. Die Kinder rufen die Spinnen und ärgern sie dann. Im Gegenzug krabbeln die beiden unter Pullover und in Schuhe, was eine Riesenschreierei zur Folge hat. „Tarantula, wann kommst du zu mir?“ schallt es fortwährend durch das Haus. Gerne schlagen die Zwerge auch nach den „Spinnen“, was eine Beleidigungsspirale in Gang setzt. Das klingt dann ungefähr so: „Spinnen sind blöd“. „Schau dich an Mistkerl“ kommt zurück. Die Tarantula haut alles an Beleidigungen raus was geht. Tarantula darf alles. Die Kinder mit den Spinnen ebenso. „Tarantula, du bist eklig“. „Du hast ja nur zwei Beine und zwei Augen, peinlich ist das“ kommt es seitens der Spinne zurück. „Niemand mag dich“. Es geht hin und her. Es ist nicht zu fassen, wieviel Freude die Kleinen mit den beiden „Spinnen“ haben. Natürlich nicht nur die, klar. Die ersten Kinder wollen jetzt von der Tarantula ins Bett gebracht werden. Meistens rennen sie dann kreischend durch ihr Zimmer, während die Tarantula in ihrem Bettchen liegt. Nochmal, das muss man gesehen und gehört haben. Es ist nicht zu glauben. Ich glaube das Geheimnis dieser Spinnen ist ihre unkonventionelle und unverschämte Art.

Vor ca. 17 Jahren warb die BILD ZEITUNG mit dem Slogan: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ Sowas wie „Schatz, Deine Schenkel sind zu dick“, oder „Papa, ich bin schwul.“ Nach genau diesem „Hau-Raus-Kapelle“-Motto lebt die Tarantula nebst Freundin. „Niemand mag dich“, „Niemand möchte mit dir spielen „, „Niemand hört dir zu“ usw. Situationsbedingte Verbalentgleisungen runden das Bild ab. Wie konnte es soweit kommen? Ich weiß es nicht. Plötzlich waren die Spinnen da. Gerne beleidigen sie auch via WhatsApp in der Familiengruppe. Mitunter in einer Art und Weise, dass selbst unsere Großen sich verwundert die Augen reiben und neue Beschimpfungen für den Schualalltag lernen. Prinzipiell hält sie sich aber an die Etikette und beendet jede noch so üble verbale Entgleisung immer mit freundlichem „Gruß Tarantula“.